Insights
Designing the Digital Age
„Märkte sind Gespräche“ – mit dieser ersten These begann 1999 das Cluetrain Manifest in der Frühzeit der New Economy. Kernpunkt war die neue kooperative Haltung der Internet-Communitys und ihr Anspruch an zeitgemäße Unternehmenskommunikation.
Zusammengefasst in 95 Thesen, die sich überraschend aktuell lesen. Die digitale Transformation steht auch heute noch im Mittelpunkt, wenn es um gesellschaftlichen Wandel, Unternehmensstrategie oder Marketing geht.
Heute, gut 20 Jahre später, lassen sich zwei gegensätzliche Beobachtungen machen: Technologie hat unsere Lebens- und Arbeitswelten radikal verändert und tut dies weiterhin. Die Verknüpfung digitaler und analoger Welten bleibt hinter den Erwartungen zurück.
1. Digitaltechnologie und Kultur werden eins
Mit dem Aufstieg von GAFA (Google, Apple, Facebook und Amazon) hat sich nicht nur das Internet verändert, sondern auch die Märkte und wie wir darin operieren. Märkte sind global – zumindest potenziell. Die neue Marktdynamik verspricht exponentiellen Gewinn bei linearen Kosten. Die digitale Kompetenz definiert die Machtverhältnisse am Markt und damit die Zukunftsfähigkeit – für den Einzelnen und für Unternehmen – the winner takes it all.
Markenübersicht der Global Tech Player für integrierte Geschäftsbereiche. Bild: paymentandbanking.com
In der zweiten These des Manifests wird jedoch auch eine Sehnsucht erkennbar: „Wir sind keine Zielgruppen oder Endnutzer oder Konsumenten. Wir sind Menschen“. Der Wunsch nach Verbundenheit bestimmt unser Handeln. Paradoxerweise erweist sich Gebrauch und Inhalt der sozialen Medien als zunehmend unsozial. Das Smartphone ist zum Suchtfaktor N°1 geworden. Worauf es damals wie heute ankommt, ist mehr denn je eine menschliche Form der Kommunikation. Denn Menschen wollen gesehen werden. Das hat primär etwas mit Wertschätzung zu tun und mit einem gemeinsamen Erlebnis. Zumindest in der Welt der Unternehmenskommunikation scheint diese Sehnsucht bisher nicht erfüllt.
2. Online-Marketing schafft sich selbst ab
Traffic, Clickrates, Likes, Leads, Funnels, Affiliates, Conversions, Chatbots und das Allheilmittel Marketing Automation: Nie war es leichter zu gründen, seine Botschaft zu vermitteln, ein System aufzubauen und – so das Ziel zahlreicher junger Digitalunternehmer – mit minimalem Aufwand, möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Es wird geklickt, geshared, gehyped, kopiert und gecoacht. Hauptsache, man setzt sich ins rechte Licht und ist am Puls der Zeit. Dabei sind die wenigsten wirklich einzigartig, die Mehrheit kopiert nur noch den nächsten. Dabei geht es schon lange nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch um Prozesse, Analytics, Zahlen, Performance und, viel schlimmer, es geht auch nicht mehr um den Kunden oder darum echten Mehrwert zu liefern.
Nicht selten werden wir gefragt, warum es denn nicht läuft mit dem eigenen Online-Marketing, warum keine Leads hereinkommen und das Whitepaper nicht heruntergeladen wird. Unsere Antwort wird nicht gerne gehört. Denn sie lautet: Weil ihr keine Relevanz habt, euer Angebot ist austauschbar und ihr keine Tiefe bietet. Eure Zielgruppe durchschaut euch und die unterschwellige Botschaft ist nicht selten: „Du bist für uns nur eine Nummer und letztlich sind wir nur an deinem Geld interessiert.“
Die Kunst zu überzeugen, Herzen und Verstand zu begeistern, ist vielleicht die größte Fähigkeit, die Ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird. Und diese Kunst hat sich seit Aristoteles im Wesentlichen nicht verändert. Jedem BWL-Studenten wird gesagt, dass sein Einkommen mit seiner Kommunikationsfähigkeit steigt. Das lässt sich heute interessanter denn je gestalten und beginnt mit Empathiefähigkeit, Relevanz und Charisma.
„Die Kunst zu überzeugen, Herzen und Verstand zu begeistern, ist vielleicht die größte Fähigkeit, die Ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird.“
Patrick Wachner
Managing Partner & Founder | Elevate
Managing Partner & Founder | Elevate
3. Nicht alles was messbar ist, ist auch sinnvoll
„Ohne Daten bist du nur ein weiterer Typ mit einer Meinung“. Dieses populäre Zitat
von William Edwards Deming bringt die Überzeugung zahlreicher Entscheider auf den Punkt. Ob in der Unternehmensführung oder im Marketing: Die Performance will beziffert werden und der Wettbewerbsvorteil soll bitte vorhersagbar sein. Doch die Revolution bleibt aus. Natürlich lassen sich über große Datensätze und ihrer systematischen Auswertung interessante Muster und Erkenntnisse ableiten – ja sogar Wahlen manipulieren. Gerade das Data-Mining, also die Kombination aus Datensätzen und Parametern, lässt spannende Beobachtungen zu.
Doch Daten schaffen keine Fakten. Menschen operieren nicht mit Daten, sondern erzeugen durch ihre Wahrnehmung Informationen. David Kriesel zeigt dies eindrucksvoll in seinem Data-Mining Vortrag zu Spiegel Online. Es ist auch eine gute Gelegenheit, seine Vorurteile zu testen.
Die technischen Möglichkeiten machen aktuelle Analyse- und Kommunikationsverfahren ausgefeilter, differenzierter und vielversprechender als je zuvor. Doch die Interpretation der Daten ist nicht objektiv. Die Flut an Auswertung birgt auch die Gefahr, wesentliche Zusammenhänge zu übersehen oder einzelne Facetten überzubewerten. Eine quantitative Erfassung ersetzt keine qualitative Einschätzung und sicher keine Führungsfähigkeit.
Rückblickend lässt sich vieles mit Daten erklären, ableiten oder rechtfertigen. Inwiefern sich Nutzerverhalten antizipieren lässt, bleibt offen. In abgestecktem Rahmen wie z.B. Kampagnen lassen sich Daten sinnvoll zur Optimierung einsetzen. Doch für das Gesamtbild braucht es Persönlichkeiten mit Substanz, Persönlichkeit und Mut. Wer daher nur in den Rückspiegel sieht, um sich abzusichern, kann schlecht überholen. Und die Überhohlspur ist der Ort, an dem sich viele Unternehmen im Kontext der Digitalisierung gerne sehen.
4. Komplexität ist die Lösung, nicht das Problem.
Das Verständnis von Marke hat sich gewandelt. Früher genügte es, sein Angebot zu kennzeichnen, um einen Unterschied zu kommunizieren. Heute erwarten wir mehr. Jemanden, der mich in meinem Vorhaben unterstützt, mit dem man sich identifiziert.
Wer heute das Bild seines Unternehmens verändern will, muss zunächst das Bild in den Köpfen der Menschen verändern. Und das wird zunehmend individueller und ist primär digital geprägt. Der Kampf um eine Top-Position im Markt ist schwieriger denn je. Vor dem Hintergrund fragmentierter Medienlandschaft und wachsender Touchpoints ist die Markenerlebniskette nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Alles dreht sich um den User. Es geht nicht mehr nur um Homogenität und Prägnanz. Heute beginnt Markenstärke mit den richtigen Fragen: Wie nah bin ich meinem User im Alltag? Wie viel Mehrwert biete ich unmittelbar an? Wie viele Anknüpfungspunkte biete ich? Wie verschmelzen (Digital-)Produkt und Marketing?
Markenübersicht der Global Tech Player für integrierte Geschäftsbereiche. Bild: paymentandbanking.com
Komplexität ist dabei die Lösung – nicht das Problem. Was sich vernetzen lässt, wird vernetzt werden. Die wachsende Eigenkomplexität von Unternehmen spiegelt sich natürlich auch in der Kommunikation wider. Alle 4 p's (product, price, promotion, place) des klassischen Marketings verschmelzen in einer Interaktion. Heute ist man stets nur 1 Click vom Kauf entfernt – egal wo, egal wann, egal was. Die Marke übernimmt die Rolle einer Plattform, die sich immer wieder neu erfindet und dabei ihren Prinzipien und Werten treu bleibt.
Das Brand-Portal verbindet strategisches und operatives Marketing in einem Tool. Es ist die zentrale Plattform für alle Marketeers, um markentypischen Content zu produzieren, Best Practice Projekte auszutauschen und gruppenübergreifend auf dem Laufenden zu bleiben.
5. Design to Inspire
Als Menschen besitzen wir Vorstellungskraft. Sie ist jedem Menschen inne und dient uns zur Verbesserung unserer Welt. Als Gestalter haben wir gelernt, mittels Entwurf diese Schöpfungskraft sinnvoll einzusetzen – d.h. sich für eine gute Sache zu engagieren und ihr Ausdruck zu verleihen, damit Sie in der Welt ihre Wirkung entfaltet.
Marken werden von Menschen gemacht – in unserer Wahrnehmung und in Unternehmen. Dafür braucht es von allen Beteiligten Offenheit, Ehrlichkeit und Mut. Nur mit einer gemeinsamen Vorstellung von der Zukunft lässt sie sich auch erfolgreich verwirklichen. Im besten Fall entsteht eine Vision, die über das eigene Unternehmen hinausgeht – eine Vision, die uns berührt.